Ich werde oft gefragt, wie man meditieren lernt, wie man die Praxis in den Alltag bekommt oder wie man sein Ego abschafft, wie man aus dem Traumzustand erwachen kann, usw.
Ich habe das ganz bewusst alles in einen Satz gepackt, weil die kürzeste Antwort auf all diese Fragen sehr leicht und immer die gleiche ist: Indem man es tut!
"Na toll" ,denkst Du jetzt vielleicht, "so einfach ist das doch aber nicht, ich vergesse das doch immer oder ich meditiere und bin keine 5 Minuten später dann doch wieder außer Rand und Band..."- und so weiter und immer weiter spinnt Denken die Storys des Egos.
Das ist eines der Merkmale unsere Zeit und eines der größten Probleme. Ego ist derart in einer Vormacht-Stellung, dass es schon (fast?) gesamtgesellschaftlicher Konsens ist, dass Lösungen niemals
leicht sein können. Eine simple Lösung ist unsexy, anzuzweifeln und am besten gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, flüstert uns denken ein und wird bestätigt durch den alltäglichen medialen
Wahnsinn.
Ohne spezielle technische Hilfsmittel, Experten mit diffusen englischen Bezeichnungen, teure Seminare zu ganz neuen, 'wissenschaftlich bestätigten' Methoden oder wenigstens eine entsprechende App
fürs Smartphone, geht doch heute gar nichts mehr.
Dabei könnte alles wirklich relativ einfach sein- von 'leicht' rede ich gar nicht- nur von einfach. Ich illustriere das mal anhand eines Beispiels:
Nehmen wir mal an, Jemand, nennen wir in Karl, hat ein unglaublich unordentliches und zugemülltes Zimmer. Wenn Karl ein 'moderner Mensch' ist, wird das in etwa so ablaufen:
-Karl ignoriert monatelang den Zustand seines Zimmers, was natürlich mit ein Grund für den stetig sich verschlechternden Zustand des selbigen ist.
- Ab einem gewissen Punkt, vielleicht beginnt der Müll zu stinken und Karl findet kaum noch saubere Unterhosen zum anziehen, beginnt ein innerer Monolog: "Oh man, ich sollte echt mal aufräumen- aber irgendwie finde ich nie die Zeit dafür und wenn ich mal Zeit habe, fehlt mir die Lust und dann rufen Freunde an oder es scheint draußen die Sonne. Und wenn ich doch mal ein bisschen was wegräume, weiß ich ganz schnell gar nicht mehr, wie ich vorgehen soll- hab ja keinen Platz um irgendwo was hinzuräumen und dann sehe ich, wie aussichtslos alles ist und wieviel Arbeit und dann fehlt mir gleich wieder die Lust...."
-Irgendwann beginnt Karl sich im Freundeskreis und in sozialen Netzwerken auszuheulen. Und er hat einen guten Freundeskreis, da ihm alle bestätigen, ja, das ist ganz schlimm, so ein Problem und sie kennen das auch von sich und die Wissenschaft nennt das 'prokrastinieren' und da sei kaum ein Kraut gegen gewachsen...
- Dann kauft sich Karl ein paar Ratgeberbücher, liest sie vielleicht, setzt aber nichts von dem was da drin steht um und die Bücher wandern auf den zugemüllten Boden zu den Zeitschriften, CD-Hüllen und Unterhosen.
- Vielleicht stößt Karl auf eine Aufräum-App, lädt sie sich runter und hat nun jedes mal, wenn sie ihn daran erinnert, was zu tun ist, ein schlechtes Gewissen.
- Eventuell findet er wenig später einen Haushaltscoach und lässt sich von dem für teuer Geld nochmal erklären was in den Ratgeberbüchern stand.
- Zwischendurch jammert Karl dann bei seinen vielen echten und virtuellen Freunden über die ganzen Anstrengungen, die er schon unternommen hat und wie erfolglos allesamt waren. Und bekomm wieder
die gewünschte Bestätigung, siehe oben.
- Irgendwann hat Karl dann Geburtstag, seine Freunde legen zusammen und schenken ihm eine Reinigungskraft... Das Problem scheint gelöst!
- Für eine Weile ist Ruhe und Ordnung, aber da Karl ja mit seiner unreifen Herangehensweise zum Ziel gekommen ist, sieht es wenige Monate später wieder genau so aus und das Spiel beginnt von vorn.
Lieber Karl! Wenn Dein Zimmer vollgemüllt ist, gehe nicht über 'Los', zieh keine Freunde mit rein, sondern räum verdammt nochmal Dein Scheiß-Zimmer auf! Fang an und mache, Stück für Stück, solang stoisch weiter, bis es fertig ist! Es ist ganz genau so einfach. Punkt. Scheiß einfach mal auf Deine Gedanken, Gefühle oder was Freunde oder das Internet dazu sagen und MACH ES!
Bezogen auf Meditation oder auch Erwachen ist es genau das Gleiche. Wenn Du meditieren willst, musst Du das tun. Niemand sonst kann das für Dich tun. Wenn Du erwachen willst, musst Du das tun- niemand sonst kann das für Dich tun. Natürlich kann ich oder ein anderer Mensch Dir zeigen, worauf es zu achten gilt. Ich kann Dir auch meine Erlebnisse erzählen- aber es ändert nichts daran, dass letztendlich DU etwas tun musst.
In dem Zusammenhang sind sehr komplexe, hierarchische Systeme, wie z.B. manche buddhistische Strömung oder yogische Traditionen u.v.m. auch mitunter Teil des Problems.
Beim Erwachen, aber auch schon 'nur' beim Thema Achtsamkeit geht es nicht um ein Glaubenssystem und nicht darum irgendeinen Guru anzuhimmeln und die Eigenverantwortung an der Garderobe abzugeben.
Es geht um Dich- ausschließlich. Es geht darum, Dich selbst zu erkennen. Punkt. Dafür kannst nur du allein etwas tun- oder es lassen. So einfach, so schwer.
Das, was Kasten erfindet oder 180.000 verschiedene Höllen oder Stufen der Erleuchtung, Unter-und übergeordnete Wesen und den ganzen Kram, dass was glauben will, statt selbst zu schauen, dass was
Zertifikate im Namen des 'universellen Einen' ausstellt- das ist genau Teil des Problems und nicht etwa der Lösung. Darf ich vorstellen: Es heißt Ego und es ist so alt wie die Menschheit.
Ob man Ego offen vor sich herträgt oder es heilig erklärt, indem man eine Maske aus permanenter Glücksseligkeit zur Schau stellt, ist dabei vollkommen egal. Ego bleibt Ego.
Um zu meditieren oder zu erwachen oder beides, brauchst Du keinen Glauben, keine Hierarchien. Dazu brauchst Du Mut, Flexibilität und etwas Stoizismus.
Stoizismus um dran zu bleiben, komme was wolle. Hast du jeden morgen Bock auf Zähne putzen oder machst Du es einfach, weil es nunmal getan werden muss? Wenn letzteres der Fall
ist: Herzlichen Glückwunsch, mit genau dieser Haltung beginne zu meditieren und mach einfach weiter damit. Das ist nämlich keine Frage von Bock. Nur dann zu meditieren, wenn man Bock hat, ist
nicht gerade eine hohe Kunst und bringt auch herzlich wenig. Meditiere dann, wenn Du am allerwenigsten Bock hast- das werden Deine wertvollsten Sitzungen sein!
Im Lauf der Zeit, sei es beim meditieren oder beim Versuch aufzuwachen, wirst Du aber auch Flexibilität brauchen. Ein Haus wird auch nicht nur mit einer Säge gebaut- für manche arbeiten braucht man Hammer und Nägel, dann wieder Schraubenzieher, dann einen Spachtel, mal einen Betonmischer etc.
Wenn Du also das Gefühl hast, mit einer gewissen Technik/Methode nicht weiter zu kommen, dann probier doch einfach ein anderes Werkzeug. Das allein ist doch kein Grund, mit dem 'Hausbau'
aufzuhören. Wenn Du nicht weißt, was für ein Werkzeug gerade das richtige ist- dann experimentiere- oder frag Jemand, der sich damit etwas besser auskennt.
Den Mut bzw. auch Neugier wirst Du spätestens dann brauchen. Wobei viele Menschen, mit denen ich so ins Gespräch komme mir oft schon im Vorfeld sagen: "Das klingt alles total toll, was Du über Dein Erleben sagst- aber ich kann mir das gar nicht vorstellen!"
Was diese Menschen meinen ist folgendes: Sie glauben nicht daran, dass sie das schaffen können. Und ihr Erleben ist so anders, als meines inzwischen, dass sie es nicht glauben können, weil sie es nicht mit sich und ihrem Erleben in Verbindung bringen können. Zwei Glaubenssätze, die einander schön in Schach halten und jede Bewegung fast unmöglich machen. Es sei denn, man mag Herausforderungen und hat einen kleinen Abenteurer in sich, der Lust darauf hat, sich ins Ungewisse zu stürzen.
Zumindest war das bei mir so. Ich hörte in einer Vorlesung über die unglaublichen neuronalen Veränderungen, die Meditation hervorrufen soll. Ich konnte es mir nicht vorstellen und hielt die untersuchten Mönche für ganz weit weg von meiner Lebensrealität. Ja, was soll ich sagen: Wenn ich mir irgendwas nicht vorstellen kann und das kommt sehr selten vor, dann packt mich die Neugier. Dann will ich herausfinden, was es damit auf sich hat. Und wenn ich Menschen sehe, die nach meinem Empfinden irgendwie 'weiter entwickelt' sind, als ich, dann packt mich ein gesunder Ehrgeiz. Mich frustriert sowas nicht, mich spornt das an. (In Bezug auf die Bücher von Jed McKenna war es sogar so, dass mich stellenweise total geärgert hat, was der Typ da schreibt. Ich begann zum Teil mich damit eingehender zu beschäftigen, weil ich ihn widerlegen wollte. Hat nicht geklappt und nun bin ich wach und da haben wir den Salat. ;-) )
Umgekehrt ist es bei mir so, dass wenn ich mir was super gut vorstellen kann und zugleich von der 'Leistung' des ausführenden eher unbeeindruckt bin, ich absolut Null Motivation spüre, es
demjenigen gleich zu tun. Mir erscheint das auch extrem einleuchtend- wenn ich mir aber die Menschheit als Ganzes so anschaue, beschleicht mich der Verdacht, dass ich da eine Ausnahme sein
könnte. Oder woher kommt dieser Irrsinn, die gleichen neuen Sneaker wie alle tragen zu wollen? Dieselben Riesen-Brust-Implantate, wie Star XY? Um jeden Preis und sei es nur für 5 Minuten
Aufmerksamkeit zu bekommen und sei es dafür, dass man ein Youtube-Video von sich verbreitet, auf dem zu sehen ist, wie man den eigenen Furz anzündet? Umgekehrt aber in der U-Bahn oder sonst im
öffentlichen Leben schon den kleinsten Augenkontakt zu scheuen, wie der Teufel das Weihwasser? Egos, aufgepustet bis kurz vorm Platzen und zugleich innerlich völlig verkümmert. Die Menschheit ist
in einem besorgniserregenden Zustand- zumindest sollte es Dich stark beunruhigen, wenn Du Dich auch nur ansatzweise in der Beschreibung wieder erkennst.
Die gute Nachricht: Du kannst was tun!
Die schlechte: Nur Du kannst was tun!
Wenn Du aufwachen willst, wirst Du spätestens in dem Prozess all diese Interessen verlieren. Du wirst keine Lust mehr auf seichten Smalltalk haben. Dein Äußeres oder was andere von Dir denken,
wird Dir völlig egal werden- zumindest für geraume Zeit. (Irgendwann hast Du eventuell wieder Lust zum Friseur zu gehen oder Dich hübsch anzuziehen- Du nimmst es aber nicht mehr ernst, sondern
siehst es als Teil des Spiels/Traums.)
Und Du wirst all Deinen Mut brauchen. Denn Du wirst hundertfach das genaue Gegenteil von dem tun müssen, was Du instinktiv gerne tun würdest. Statt wegzulaufen, wirst Du Deiner
Angst in die Augen starren. Statt auf Deine Feinde einzuprügeln, wirst du sie umarmen. Statt Dich vom Leid abzuwenden, wirst Du hingehen, Dich aufmachen und es voll spüren. Und Du wirst Dir jedes
Mal, wenn Du etwas völlig Neues tun musst, absolut nicht vorstellen können, wie das gehen soll oder wo Dich das hinführen wird. Das ist auch völlig logisch- wenn Du vorher wüsstest, was da auf
Dich zukommt, wäre es ja nichts völlig Neues!
Und Du wirst allein sein, viel.
Wenn Du für Deinen Weg etwas Beistand brauchst und Jemand, der Dir hin und wieder zeigt, wo es lang geht und welche Werkzeuge jetzt gebraucht werden: Melde Dich gern bei mir! Aber sei Dir sicher: Ich werde Dich nicht auf meinen Rücken schnallen und den Berg hoch tragen. Ich kann Dich unterstützen- aber gehen musst Du allein!
Mehr dazu gibt es unter:
http://egobuster.jimdo.com/scouting/
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