Laminar-Flow: Nach dem Erwachen ist vor dem Erwachen

Quelle: http://www.precisionpool.net
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Rohr-Metapher

Ego ist wie Dreck, der ein Rohr nach und nach verstopft.

 

Am Anfang ist das Rohr noch frei und das Wasser kann ungestört, ohne Turbulenzen hindurchströmen. Wenn Wasser ohne Turbulenzen durch einen Kanal fließt erscheint es regungslos- wie als wäre es aus Glas. Das nennt sich Laminar-Flow.

 

Nach und nach setzt sich mehr und mehr Dreck darin fest. Der Fluss ist nicht mehr glasklar, sondern wird verwirbelt. Das Wasser schäumt. Das Signal wird gestört. Weißes Rauschen, statt Laminar-Flow.

 

Wenn's noch blöder läuft setzt sich das Rohr so zu, dass der Fluss immer langsamer wird- bis er nur noch tröpfelt. Und wenn's noch blöder läuft, versiegt er ganz.

 

Immenser Druck kann sich dadurch im Rohr aufbauen. Irgendwann wird der Druck so hoch, dass das Rohr zerbirst und das war's dann.

 

Schafft man es, den ganzen Scheiß und die Krusten aus dem Rohr zu kratzen, kehrt der ursprüngliche Zustand zurück. Das Wasser fließt frei, anstrengungslos, ungestört. So ungestört, dass es ohne Regung erscheint.

 

Laminar Flow eben.

 

Erwachen heißt, den Dreck raus zu puhlen und Erwacht sein heißt, dafür zu sorgen, dass sich kein neuer Dreck ansetzt.

 

Aber das ist noch nicht alles.

 

Denn:

 

Erwachen heißt auch zu erkennen, dass man nicht der Dreck ist und auch nicht das Rohr- sondern das Wasser.

 

Aber das ist noch immer nicht alles.

 

Denn: Erwachen heißt auch noch zu erkennen, dass in letzter, paradoxer Konsequenz man dann eben doch das Wasser, der Dreck und das Rohr ist- und das, was sich das alles ausgekäst hat obendrein dazu.

 

Und das, weil das Alles eben aus ein und demselben 'Stoff' ist. Nur, dass der 'Stoff' Bewusstsein heißt. Und das wiederum ist Nichts in Bewegung.

 

                                                                            ~ ~ ~

 

Ich werde oft gefragt, ob Problem XY 'zuerst' psychotherapeutisch angegangen werden müsse. Noch öfter werde ich in meiner Arbeit als spiritueller Scout gefragt, was denn jetzt Problem XY (meist die Kindheit betreffend) eigentlich 'noch' mit Erwachen zu tun habe.

 Ich hatte das vor einiger Zeit bereits mal versucht in diesem Blogartikel, sowie in diesem Video  zu erörtern. Aber es ist nicht verwunderlich, dass das Thema ein Dauerbrenner ist und bleibt- stellt es doch den Kern meiner Tätigkeit, sowie in den meisten Fällen auch den Kern des Erwachens dar. Und zwar sowohl auf dem Weg hin zum Erwachen, als auch für alles, was danach, während der nimmer endenden Integration folgt.

 

 Am einfachsten ist der Zusammenhang wahrscheinlich linear zu erklären. Stell dir einfach vor, viele verschiedene kleinere Trampelpfade laufen zu einem Hauptweg zusammen. Dort geht’s in letzter Konsequenz für alle lang, is nur ne Frage der Zeit- was bedeutet, dass manche auch das Pech- oder Glück?- haben, ihr ganzes Leben auf Trampelpfaden zu verbringen und erst in den letzten Minuten oder Sekunden vor dem Ableben auf dem Hauptweg zu landen. So oder so: Nach einer gewissen Strecke gibt es auf dem Hauptweg eine Station, die für alle ebenso obligatorisch ist, wie der Hauptweg selbst. Von Jed McKenna habe ich dafür den Begriff 'human adulthood' entliehen, also menschliches Erwachsen sein oder kurz ErwachSen. In der Psychotherapie würde man eventuell von 'gesundem Selbst' bzw. 'gesundem Ego' sprechen. Also einem unneurotischen, psychisch gesundem Selbst/Weltbild, was tatsächlich eine brauchbare, wenn auch nicht zwingend zutreffende Beschreibung der (materiell-konventionellen) Realität liefert. Alleine die umgangssprachliche Konvention alles mit 'Ego' zunächst mal negativ zu interpretieren, spricht Bände darüber, wie wenige Menschen dieses Etappenziel zu einem maßgeblichen Zeitpunkt vor ihrem Ableben erreichen. Meine, sich fast täglich aufs Neue bestätigende, These, dass so gut wie jede psychische Störung auf ungeheilte Traumata zurückgeht und es faktisch quasi niemanden gibt, der untraumatisiert durch ein ganzes Leben kommt, unterstreicht diesen Eindruck noch. Und die unzähligen Vertreter der 'Du musst nichts tun, Du bist schon erleuchtet, Du weißt es nur noch nicht!'- Nonsense-Advaita-Strömung tun ihr übriges dazu, dass es nicht mehr werden, die ihren Arsch hoch kriegen, in die Hände spucken und sich an die Arbeit bzw. auf den Weg machen. Dass ich in dem Zusammenhang auch zunehmend weniger von Psychotherapie halte, hatte ich ja bereits im letzten Artikel genauer ausgeführt. Es ist aber zugegebenermaßen nicht ganz fair, diese Kritik lediglich auf diese zwei Gruppen zu beziehen, denn schlussendlich betrifft es die Menschheit quasi als Ganzes. Alle, bzw. die vorherrschende Mehrheit, wollen bloß nen 'quick-fix' – an einer echten Lösung ist mensch entweder nicht wirklich interessiert oder glaubt nichtmal, dass es sie gibt (oder glaubt an absurde Märchen- aber das Fass mach ich an der Stelle nicht auf, das hat keinen Boden). Anders gesagt: Die ganzen Hänsels und Gretels auf ihren Trampelpfaden ningeln mehrheitlich nur rum und wollen gern die Abkürzung zum Garten Eden wissen- wenn überhaupt. Dazu kann ich nur sagen: Jeder Versuch, das Ganze abzukürzen mündet unweigerlich in einer Sackgasse, respektive in einem Umweg. Begib Dich auf den Hauptweg und latsch los. Schon bei Erreichen der obligatorischen Station namens ErwachSen wird es Dir unvergleichbar viel besser gehen, garantiert. Umgekehrt wird Dich jedweder Versuch des Umfahrens, Abkürzens, Bypassens, Ausscherens, Pausierens um Blümlein am Wegesrand zu begaffen oder anderen Wanderern ein Bein zu stellen usw. unweigerlich zurückwerfen. Aber hey, wenn Du mir nicht glaubst: Probier' s aus! Es ist sozusagen ein Naturgesetz- daher kann ich mich dahingehend zurücklehnen, statt Dich davon zu überzeugen, dass es sowas wie Schwerkraft gibt. Du wirst damit zwangsläufig selbst Bekanntschaft machen, früher oder später...

 

Um es also nochmal auf den Punkt zu bringen: ErwachSen ist identisch mit der Heilung vieler, wenn nicht gar der meisten Deiner alten Wunden und liegt auf direktem Weg gen Erwachen. Kein Weg führt daran vorbei, kein Weg ist kürzer. Wenn Du das einsiehst, ist das schon die halbe Miete und die weiter oben genannten Fragen beantworten sich von selbst.

 

 

 

Glücklicherweise bin ich nicht völlig allein mit dieser Auffassung. So sagt zum Beispiel David Bercelli, dessen 'Trauma Releasing Exercises (TRE)'  ich quasi standardmäßig all meinen Auftraggebern empfehle in seinem Buch 'The Revolutionary Trauma Release Process ' sinngemäß, dass der Körper durch seine Signale (u.a. Zittern) deutliche Hinweise auf seinen inhärenten Selbstheilungswillen gibt-aber unser Denken, also besonders Ego, oft zu stolz, zu überheblich etc. ist, um auf ihn zu hören. Daraus ergibt sich sowohl aus Bercellis, als auch aus meiner eigenen Erfahrung ganz logisch, dass von der Krankheitseinsicht, über das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Körpers bishin zur Heilung und ggf. Transzendenz unserer Verletzungen jedes der genannten Elemente einen Teil dazu beiträgt, das überhebliche, schädliche (also nicht gesunde) Ego aufzuweichen und aufzulösen. Sprich: (Trauma)Heilung ist identisch mit spiritueller Entwicklung bzw. mindestens ein maßgeblicher Teil davon.

 

Der durchaus nachvollziehbare, aber naive Wunsch von leidgeplagten Suchenden, sich 'einfach nur' gut oder besser fühlen zu wollen, steht dabei dem Erreichen dieses Ziels oft mehr im Weg, als das er nutzt. Fakt ist: Wer sich gut fühlen will, muss sich zunächst mal gut fühlen! Und zwar vorbehaltlos. Wenn da was mieses, fieses zum fühlen ist- fühl das, statt es wegzudrücken!

 

 

Exkurs: Durchfühlen und Re-Inszenierung

 

Das was ich mit 'Durchfühlen' bezeichne ist leider wirklich gar nicht so leicht rüber zu bringen. Ich habe es bereits in manchen Artikeln und Videos versucht, aber am erfolgreichsten bin ich bislang damit, das konkret und auf den speziellen Einzelfall bezogen innerhalb meiner Sessions anzubringen. So kann ich auf spezifische Widerstände, Barrieren, Verständnisprobleme etc. direkt eingehen und den Prozess des Durchfühlens in dem Moment, wo er läuft begleiten. Trotzdem hier ein erneuter Versuch der Darstellung, in Abgrenzung zu einigem, was ich explizit damit nicht meine! Ich meine mit Durchfühlen weder, sich einem (negativen) Gefühl vollständig auszuliefern, noch es qua Ratio umzudeuten oder weg zu erklären. Selbstverständlich meine ich auch nicht, wie ein Kleinkind jedes Gefühl vorbehaltlos auszuleben. Ich meine mit Durchfühlen, die offene und zugleich zielgerichtete Bereitschaft, sich durch meistens mehrere Schichten von Gefühlen durch zu fühlen, bis es zu einer Auflösung dessen kommt, was zunächst wie eine undurchdringliche Gewitterwolke oder wie ein gordischer Knoten erscheint. Dafür ist vor allem eine gewisse Bereitschaft, sich schmerzvollem zuzuwenden, also blöd gesagt ein gewisser Masochismus nützlich. Natürlich ist auch die Einsicht, dass der Ausgang aus der persönlichen Misere mitten durch das Auge des Sturms führt, sehr hilfreich. Sobald die Erfahrung eines erfolgreichen Durchfühlens einmal gemacht wurde, das zeigt meine Praxis, steigt die Bereitschaft in aller Regel ins fast unermessliche an, diese 'Methode' weiter anzuwenden. Aber es gibt oft Start- und mitunter auch Folgeschwierigkeiten. Die Startschwierigkeit Nr. 1 ist vom Denken ins Fühlen zu kommen. Keine Ahnung von wem der Satz stammt, er ist aber super: 'Wer nicht fühlen will, muss denken!' Yo, so ist das! Die meisten von uns haben von klein auf gelernt, sich in den Kopf zu flüchten, vor diesen bösen, bedrohlichen Gefühlen. Natürlich lehrt uns das unsere Umwelt- und das natürlich, weil die sogenannten Erwachsenen um uns herum das genau so ihrerseits von Mami&Papi gelernt haben. Ein transgenerationaler, fataler Wiederholungsfehler, könnte man meinen. Mit etwas Glück jedoch  aber auch genau der 'evolutionäre' Druck, den die Menschheit braucht, um endlich mal den nächsten, überfälligen Entwicklungssprung zu machen- dazu gegen Ende das Artikels mehr...

 

Erstmal zurück zum Durchfühlen und der Sache mit dem Denken. Ich illustriere das mal an einem Beispiel: Klientin XY regt sich tierisch über ihren Chef auf. Sie bleibt dabei im Außen und im Denken darüber, was sie tun muss, könnte, sollte um sich zu wehren oder auch lieber nicht etc. Die meisten von uns kennen sowas und viele wissen vermutlich auch, so ne Art Gedanken können in Dauerschleife laufen. Ohne Ergebnis, dafür mit viel Blutdruck. Um das Durchfühlen einzuleiten ist es also zunächst mal notwendig, oft mit einem relativ hohen Kraftaufwand, aus dem Denk-Karussel auszusteigen und sich auf die Gefühle einzulassen. Hier lauert dann auch gleich die nächste Gefahr. Nämlich die, von den Gefühlen völlig vereinnahmt zu werden und so im erstbesten Gefühl stecken zu bleiben. Im Beispiel wäre das dann eben Wut, eventuell gemischt mit etwas Verzweiflung und Hilflosigkeit. Eventuell bekommt unsere fiktive Klientin jetzt großen Bock irgendwas oder wen kaputt zu hauen. Vielleicht sogar mich, da ich ihr so nen beschissenen Vorschlag gemacht habe... Da kommt dann das mit der Zielgerichtetheit ins Spiel. Remember: Es geht ums Durchfühlen. Nicht nur ums bloße Fühlen- sonst hätte ich' s ja auch einfach nur Fühlen nennen können. ;-) Um im Beispiel zu bleiben, könnte man nun bei jemand 'Fortgeschrittenem' direkt Fragen, was die Wut denn verteidigt- also was ist hinter der Wut? Bei großer Wut oder nicht so Fortgeschrittenen könnte man auch zunächst mal die Wut sprechen lassen- also direkt das Gefühl- nicht die Gedanken darüber/dazu! Und im weiteren Verlauf die Wut fragen, was man für sie tun kann, was sie braucht, um sich besser zu fühlen. Ob nun mit oder ohne diesen Schlenker- man landet hernach meistens bei Trauer, Schmerz, Einsamkeit o.ä. Manchmal sind es aber auch mehrere Schichten- oft stapeln sich dabei Wut/Angst/Trauer/Wut/Angst/... bis man dann halt doch beim zugrundeliegenden Schmerz, also der initialen Verwundung landet. Der braucht dann Liebe, Mitgefühl Trost, Schutz- etwas sehr starkes, sehr erwachsenes jedenfalls. Mitunter kommt dabei ein Glaubenssatz ans Licht- keiner liebt mich! Ich bin so allein! Oder auch 'nur': Es tut so weh!

 

Sobald dieses spitze, heiße, stechende Element rausgeweint/gekrampft/gezittert/gewürgt/... ist und die Klientin sich etwas beruhigt hat, setzt Erleichterung, Entspannung- eine große oder kleine Befreiung ein. Das kann zwischen Minuten oder Wochen variieren und wenn es etwas länger (Stunden, Tage, ...) anhält, spreche ich von einem Plateau. Eine willkommene Verschnaufpause für die meisten, bevor sich das nächste Ding zum Durchfühlen ankündigt.

 

Nach meinem bisherigen Erfahrungsstand ist es definitiv so, dass beim Durchfühlen tatsächlich nachhaltig und radikal alte Wunden geheilt und ja in der Tat auch diesbzgl. Konditionierungen aufgelöst werden. Menschen, die diesen Prozess durchlaufen, verändern sich fundamental. So sehr, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Mitmenschen das merken. Triggerpunkte, die mitunter seit Jahrzehnten an Ort und Stelle waren, verschwinden dabei manchmal buchstäblich über Nacht- und sind weg. Oft ganz besonders zur großen Verblüffung der Betroffenen selbst. Es ist dabei oft so, als wäre ein Fluch gebrochen worden. Mensch kann sich sicher vorstellen, was für eine Erleichterung das darstellt.

 

Und ja, ich vermute ich lege mich mit nem Großteil der psychologischen Fachwelt an, indem ich behaupte, dass es nicht nur möglich ist, alte Muster mit irgendeinem 'günstigeren Verhalten' zu überschreiben, sondern stattdessen einfach ganz rigoros das alte Ding komplett zu löschen. Ist mir ehrlich gesagt rille- denkt/macht was ihr wollt- ich sehe täglich in meiner Arbeit die Erfolge dieses Vorgehens und habe es zuvor an mir selbst ausprobiert.

 

So, aber was hat das nun mit Re-Inszenierung zu tun?

 

Zunächst mal ist mit Re-Inszenierung der Freud'sche 'Wiederholungszwang' gemeint. Es geht hierbei darum, dass Menschen sehr oft, meistens unbewusst, Situationen und Beziehungen aufsuchen und/oder herbeiführen, die dazu gereichen, dass sie sich erneut so fühlen (können), wie zum Zeitpunkt einer initialen Verletzung. Allein schon der Begriff 'Wiederholungszwang' legt Nahe, dass dieses Phänomen gemeinhin als pathologisch angesehen wird. Und rein intellektuell betrachtet, klingt das ja auch zunächst mal reichlich bekloppt: Jemensch hat als Kleinkind schlimme Misshandlungen erlebt und sucht hernach im Lauf des Lebens immer wieder die Nähe zu absolut brutalen Mitmenschen, um sich wieder und wieder verprügeln zu lassen- wtf?! Oder wie es Einstein (in etwa) mal formuliert hat: Beim gleichen Versuchsaufbau wieder und wieder ein anderes Ergebnis zu erhoffen ist kein Zeichen von Intelligenz. Wer würde das bestreiten? Eben.

 

Daher ist es, das muss ich fairerweise einräumen, schon naheliegend, dass, soweit mir bekannt ist, in Psychotherapien meistens versucht wird zu erreichen, dass Re-Inszenierungen vermieden werden. Vermeidung ist jedoch aus meiner Sicht nicht nachhaltig hilfreich. Und die andere gängige Methode, nämlich 'Verstehen wo es herkommt' auf Verstandes-Ebene bringts allein halt auch nicht. Und die Nonsense-Advaita-Methode, nämlich 'adaptiere einfach den neuen Glauben, dass es Dich ja gar nicht gibt, also auch niemanden, der alte Wunden haben könnte' ist bei sowas ohnehin kokolores und ggf. sogar (grob) fahrlässig.

 

Was also tun, um den Fluch zu brechen? Versuch erstmal als Arbeitshypothese anzunehmen, dass Re-Inszenierung ein Versuch Deines Körper-Geist-Systems ist, sich selbst zu heilen! Um das umfassend zu kapieren, musst Du Dir vor Augen führen, dass da eine Intelligenz, sagen wir mal Intuition dazu, am Werke ist, mit der der Verstand einfach nicht mithalten kann. Deshalb versteht der Verstand das nicht und wir wissen ja zur Genüge: Alles, was der Verstand nicht versteht wird in der Regel als bescheuert abgetan. Dabei ist in puncto Re-Inszenierung einfach der Verstand total bescheuert. Denn er übersieht das Wesentliche an der Sache:

 

  1. Es ist absolut zwingend notwendig für eine erfolgreiche Selbstheilung durch Re-Inszenierung, dass alle (anderen!) möglichst exakt den ihnen zugewiesenen Part aus dem ursprünglichen Drama spielen, um zu ermöglichen dass

  2. DU Deinen Part diesmal anders spielen kannst, um sozusagen rückwirkend ein 'Happy End' zu erleben, was es ursprünglich nicht gab.

 

Durch das beschriebene Durchfühlen wird es um einiges wahrscheinlicher, dass Dir genau das gelingt. Todsicher wird es gelingen, wenn der Triggerpunkt weg ist- aber auch zuvor stehen mit mehr und mehr Durchgefühltem die Chancen immer besser. Bezüglich des angesprochenen 'Happy Ends' sei gesagt, dass das in aller Regel nicht so aussieht, wie mensch es naiv vielleicht annehmen würde. Nein, der brutale Schläger mit dem Du Deinen Vater-Konflikt versuchst zu lösen, wird nicht Deinen Wert erkennen und Dich fortan auf Händen tragen. Stattdessen wirst Du Deinen Wert erkennen, Deine Grenzen wahren und das Arschloch entweder gleich gar nicht mehr in Bett&Herz lassen oder ihn zumindest deutlich früher rauskanten. Im Lauf der Heilung wirst Du Dich aber schlichtweg in so jemanden nicht mehr verlieben (können), weil Dein Trigger irgendwann weg ist und Du weder auf des Vaters noch dessen Platzhalters Wertschätzung mehr angewiesen bist. Dann weißt Du, es ist vorbei, der Bann gebrochen, Dein Herz geheilt. Will sagen: Was ich mit Happy End, besser noch Auflösung, meine ist nicht etwa, dass Du das ätzende Spiel auf einmal doch gewinnst, sondern dass Du aufhörst, das Spiel mit zu spielen. Nicht aufgrund von großer Mühe oder Disziplin- sondern weil es Dich ganz natürlicherweise einfach nicht mehr anzeckt. Und Menschen, die das früher in Dir lostreten konnten, einfach keinen Sog mehr auf Dich auswirken. Anders gesagt: Du schiebst nicht einfach nur Deine Jetons vom schwarzen aufs rote Feld am Roulette-Tisch- Du verlässt den ollen Tisch und nimmst Deinen Einsatz mit und das mach Dich dann satt und heil und ganz. Kurzum: Durch geduldiges, wiederholtes durchlaufen des Durchfühlens kann es gelingen auch richtig fette Issues zu knacken und Re-Inszenierungen obsolet zu machen. Anstatt sie sich abzutrainieren, ihnen also den Nährboden entziehen! Das ist der heiße Scheiß, wenn Du mich fragst. Und ein echter Life-Skill und dadurch vor, während und nach dem Erwachen essentiell. Das erkläre ich nun im weiteren Verlauf genauer.

 

                                                                              ~ ~ ~

 

 

Wenn Du Dich nochmal kurz an den Anfang mit der Rohr-Metapher erinnerst, ahnst Du vielleicht schon, weshalb die Sache mit dem Durchfühlen auch nach dem Erwachen irre wichtig ist. Ganz einfach ausgedrückt: Solang 'Dein Püppi' noch hier mitspielt in diesem Traum, heißt das, da ist noch dieses Rohr und durch das fließt nach wie vor Wasser und das führt auch Dreck mit sich und der kann im Rohr hängen bleiben. Um es im Fussball-Jargon zu sagen: Nach dem Erwachen ist vor dem Erwachen. Oder auf Zen: Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen. Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen. Mir ist völlig klar, dass die Märchen-Glitzer-Woo-Woo-Fraktion das überhaupt nicht funky findet, dass ich dahingehend so eklig nüchtern bin, aber ich kann's nunmal nicht ändern, es ist einfach die Wahrheit. Nachdem mensch umfassend geblickt hat, gar kein Mensch zu sein befindet sie sich nämlich auch wieder in einer Trennung, in einer Dualität. Ich/Nichts hier- alles andere da. Ich/Nichts hier oben auffem Berg, unberührt von allem. Tja, liebe Leute- wer meint erwachtes Sein hieße unberührbar, unantastbar, heilig, immer lächelnd-gleichmütig zu sein, der sitzt entweder grad noch ganz frisch auf dem Berg- oder glaubt an Märchen, oder verwechselt Erwachen mit Tod oder hat den Begriff 'nondual' nicht verstanden oder was weiß ich, was da schiefgelaufen ist. Tatsache ist: Solange mensch sein Mensch-Sein nicht wenigstens anfängt in das Geschaute zu integrieren, ist das kein nonduales Erleben. Anscheinend tritt diese Unschärfe inzwischen extrem Häufig auf- ich vermute, es liegt daran, dass grob gesagt 'im Westen' vor allem Nonsense-Advaita en vogue ist, statt sich bewährter Ansätze wie z.B. dem Zen zu bedienen. Das wiederum liegt mit großer Wahrscheinlichkeit daran, dass im Nonsense-Advaita sogar noch das Konzept des 'quick fix' pervertiert wird, indem behauptet wird, dass selbst ein 'quick-fix' obsolet sei, weil ja alles schon perfekt ist, so wie es ist und sich gar nix ändern muss, also nichtmal auf die Schnelle irgendwas gefixt werden müsse. Nonsense-Advaita ist damit also quasi das Pendant zum Turbo-Kapitalismus. Denn bei beidem gilt: Reparier nix, kauf Dir einfach was neues- ein neues Weltbild zum Beispiel, was Dir einredet, es gäbe nix zu reparieren. Dahingegen heißt es im Zen, wenn jemensch grad volle Lotte die eigene Nicht-Ich-keit erkannt hat und der gesamten Sangha damit auf die Ketten geht, kurz und verächtlich: Du stinkst nach Zen! Ab mit Dir, Holz hacken!

Hau sowas mal gegenüber den üblichen verdächtigen Eso-Klimbim-Glücksbärchis aus der Satsang-Szene raus- die lassen vor Schreck direkt ihre Traumfänger fallen, richten hernach kurz ihr gütiges Lächeln wieder gerade und fragen dann mit passiv-aggressivem Unterton und leicht gekräuselter Nase: Bist Du denn nicht im Frieden? Oh doch, ich bin total im Frieden. Ich bin sogar so im Frieden, dass mir auch Unfrieden überhaupt kein Problem bereitet- vor allem, wenn der Unfriede der Wahrheitsfindung dienlich ist. Noch friedlicher wäre es jedoch, wenn diverse Pappnasen mal ordentlich ihre Arbeit machen würden, statt Unsinn am laufenden Meter zu verbreiten, nur weil sich mit Märchen einfach mehr Fame&Kohle machen lässt, als mit der Wahrheit. Die Wahrheit in dem Sinne ist: Es hört nie auf! Es geht immer weiter mit der Integration. Selbst wenn sich, so wie bei mir seit einigen Monaten kaum noch alter Scheiß findet- dann taucht halt neuer Scheiß auf. Zum Beispiel stellt genau das eine meiner letzten Einsichten dar. Vor ner Weile dachte ich, ui, da braut sich wieder mal was zusammen, ich brüte was aus, ein weiterer alter Knoten wird wohl demnächst platzen, ok, ab an die Suchscheinwerfer und aufgepasst! Wochenlang schwoll da was an in mir und ich kam einfach nicht drauf, was das sein könnte. Ich hatte, so wie es seit dem Erwachen nunmal war, eben Reste von was Altem erwartet und danach ausgeschaut. Durch eine Aneinanderreihung von sehr tollen Begegnungen mit diversen Menschen aus Heilberufen, wurde mir dann jedoch klar, dass es sich gar nicht um was Altes handelte. Nein, was mich so 'voll' gemacht hatte, waren die ganzen Geschichten meiner Auftraggeber. Irgendwie hatte ich (und das ist dann schon noch was altes) gar nicht richtig bemerkt, dass ich zu wenig für mich tue bzw. auch das falsche, um die ganzen 'Fremd-Energien' wieder aus mir rauszukriegen. Es ist schon so, dass durch das Erwachen viel weniger im Rohr hängen bleibt (und hängt) als zuvor. Aber dennoch muss auch dieses Rohr hin und wieder ausgespült werden. In meinem Fall geht das eigentlich ganz leicht. Ich muss mich nur einfach in meinen Garten setzen und nichts tun. Also wirklich gar nichts. Kein Output, kein Input- jedenfalls nicht in Bezug auf Menschen, wenn dann nur bzgl. Pflanzen und vielleicht ein paar Tieren.

 

Was ich damit illustrieren will ist vielfältig. Einerseits kann es als Beispiel dafür dienen, dass wirklich nach dem Erwachen auch immer noch irgendwas zu tun, aufzulösen, durchzufühlen ist- es also immer weiter geht. Außerdem befördert einen das Erwachen nicht zu einem (Halb)Gott, Heiligen oder Superhelden. Ich seh das hin und wieder, dass Menschen, die mich das erste Mal treffen ihre Enttäuschung darüber nicht ganz verbergen können, dass ich so normal/gewöhnlich, um nicht zu sagen 'unerleuchtet' wirke. (Die meisten suchen mich ja u.a. genau deswegen auf, daher kommt es nicht all zu oft vor- aber wie gesagt, manchmal eben schon.) Tja, Kinners, was soll ich davon halten? Ich finde ja Ent-Täuschungen meistens ganz hilfreich- was nicht verwundern dürfte, da ich halt so ein Wahrheits-Fetischist bin. Leider, so mein Eindruck, macht aber nur ein Bruchteil der Enttäuschten was sinnvolles draus, so im Sinne von Einsicht, Konzepte über Erwachte hinterfragen usw. Das Gros ist natürlich empört über meinen Mangel an heiligem Gehabe und exaltierter Lebensweise. Naja, wenigstens kann ich mitunter mit komischen Klamotten dienen. Aber die Zaubershow findet woanders statt und der Thron zum davor niederwerfen steht hier auch nicht rum- nicht-sorry!

 

Interessant daran ist, dass genau in diesem von Suchenden erwarteten und von 'Leerenden' erfüllten Mummenschanz sich das Drama des verzweifelten, ungeliebten Kindes Re-Inszeniert. Und nur verdammt wenige kommen darauf, wie das Happy End in dem Fall aussehen müsste. Nämlich in der Entzauberung und Entmystifizierung des Erwachens (und seiner Lakaien). Sowie in der korrigierten Darstellung des Erwachens als natürlichen, notwendigen Schritt in der menschlichen Entwicklung. Dazu müsste aber erstmal sowas wie ErwachSen geschehen- und es müsste auch viel mehr wirklich Erwachte geben. Worauf ich hinaus will: In Guru-Schüler-Hierarchien, in Siddhi/Channeling/Feuer/Zauber/Satsang-Love-Shows wird die Abscheu und Angst davor ein hunds-gewöhnlicher Mensch zu sein zementiert- nicht etwa aufgelöst.

 

Warum nur haben alle so einen Riesen-Schiss davor menschlich zu sein?, frage ich mich da. Die Post-Erwachens-Amnesie hat mich dahingehend tatsächlich recht fest im Griff, ich kann es nur als ganz zart-pastelligen Erinnerungshauch ahnen- ein ganz schwacher Geschmack ist da noch. Wenn ich das unter meine innere Lupe lege bekomme ich ne Idee, wie das war, als es außer der Total-Identifikation mit dem Püppi und seinen Stories hier, nichts anderes gab, gefühlt. Brrr. Ich glaube, wenn ich mich daran zurück erinnere, es hat was mit diesem eklatanten Mangel-Empfinden zu tun. Dem Ich reicht es nicht, nur 'Ich' zu sein, weil es glaubt, nicht vollständig zu sein- weil es glaubt, es gäbe da noch mehr und dieses 'mehr' fehlt ihm. Das Ich glaubt also schlichtweg, es sei nicht perfekt (genug)- nicht heil&ganz. Der Witz dabei ist: Das ist genau die Aufgabe des Ichs, des Egos, nie zufrieden zu sein. Wem das nachhaltig auf den Zeiger geht, dem kann ich nur empfehlen, den Glaube ans Ich loszuwerden. Das geht, wie ich ja wieder und wieder versuche klarzumachen, ganz besonders gut, wenn man zuvor möglichst sorgfältig alle geglaubten Verletzungen heilt und beseitigt, also erwachSen wird. Danach fällt es nämlich deutlich leichter, so fundamental geglaubtes, wie ein 'Ich' zu sein zu ent-glauben.

 

Gerade der Umstand, dass sich das (nicht nur, aber auch) rückblickend so eklig und defizitär anfühlt, könnte die entscheidende Zutat sein, um den bereits zu Beginn dieses Texts angesprochenen evolutionären Druck ausreichend zu steigern. Aus bisherigen Beobachtungen habe ich die Hypothese abgeleitet, dass eine jedwede psychische 'Störung' auf ein Trauma zurückzuführen ist, was ja nicht weiter verwunderlich wäre. Schaut man sich so in der Welt um, wird sie von zutiefst verletzten Pseudo-Erwachsenen bestimmt. Große, oft schwer verhaltensgestörte Kinder mit sehr gefährlichen 'Spielzeugen'. Aber auch die meisten Menschen ohne große Macht oder Einfluss sind nur auf dem Papier erwachsen. Davon kann man sich ja problemlos überzeugen, wenn man sich mal für ein paar Stunden 'Diskussionen' in sozialen Medien anschaut. Parallel dazu fliegen uns die Konsequenzen unserer Ignoranz um die Ohren: Kriege, Hungersnöte, Umweltverschmutzung, Klimakatastrophe, Turbo-Kapitalismus,... die Liste ist lang und wird täglich länger. Sprich: Der individuelle Leidensdruck (innen), sowie der globale Leidensdruck (außen) steigt immer mehr an. Ich vermute, das wird so noch ein Weilchen weitergehen- und dann wird es sich in die eine oder andere Richtung entscheiden (müssen). Entweder macht eine kritische Masse der Menschheit den aus meiner Sicht lang überfälligen Entwicklungsschritt und wird endlich ErwachSen- oder unsere Spezies rottet sich aus. Warum 'nur' ErwachSen und nicht gleich Erwacht? Das hat mehrere Gründe. Erstens, wie schon oft betont, ist es ein sinnvoller, wenn nicht gar notwendiger Zwischenschritt, zweitens steht dieser dem Großteil der vermeintlich erwachsenen Menschen noch bevor- drittens wäre er fürs Erste ausreichend und ich bin ein pragmatisches Püppi. Wozu die Taube auf dem Dach haben wollen, wenn's der Spatz in der Hand tut? Eben.

Warum der besagte Spatz aka das, was ich ErwachSen nenne schon täte, um fürs Erste die Menschheit vor ihrer Selbstzerstörung zu retten, illustriert vielleicht diese Metapher aus meinem (uralten) FAQ für die Website:

  • Ein Kind will nicht spülen. Es ist genervt davon, findet es unfair (selbst wenn das Essen nur für das Kind zubereitet wurde), jammert/quengelt/meckert, versucht die Arbeit auf andere abzuwälzen etc.. Kurzum:  Es tut alles, nur nicht abspülen. In der Zeit häufen sich Berge von Geschirr auf, es beginnt zu stinken usw. Wenn das Kind 'Glück' hat kommt ein Erwachsener vorbei und spült für es ab- wenn das Kind GLÜCK hat, wird es erwachsen und fängt an selbst zu spülen!

  • ein Erwachsener seufzt über den Berg von Geschirr, nimmt sein inneres Gequengel zwar wahr, aber nicht ernst und spült letztendlich doch ab- oder besorgt sich einen Geschirrspüler von seinem eigenen Geld.

  • Erwacht ist niemand mehr da der genervt ist- da ist nicht mal mehr Jemand der abspült. Da ist nur noch abspülen. Und wenn abspülen vorbei ist geschehen andere Dinge- laufen, essen, schlafen etc. alles ohne Jemand, der das 'macht'.

 

Viele, wenn nicht gar die meisten Probleme in der Welt, ließen sich mit mehr Weitblick, Wille zu Fairness Kooperation, Toleranz und Mitgefühl einerseits, sowie weniger Gier, Egoismus, Hass, Faulheit und Ignoranz andererseits lösen. Ein unreifer Mensch ist dazu in der Regel nicht in der Lage- ein ErwachSener jedoch in den allermeisten Fällen schon. Evolutionär betrachtet ist das ErwachSen daher der notwendige und folgerichtige Schritt. Das alles soll nicht alarmistisch klingen, sondern lediglich beschreiben, wie ich das Ganze sehe. 'Mir' ist das schlussendlich relativ schnurz, um ehrlich zu sein, da ich weiß, es wird auch ohne Menschheit weitergehen, mit dem Bewusstsein, dem Relativen und dem Absoluten, was sich da vergnügt ins Spiel mit sich selbst vertieft hat. Notfalls wird auf den 'Undo'-Button gedrückt und mit einem Urknall beginnt das nächste Universum. Aber wenn Dir zum Beispiel Dein eigenes Menschsein am Herzen liegt- dann mach Dich an die Arbeit. Ernsthaft und konsequent, aber nicht verbissen, denn bedenke:

 

 

 

Nach dem Erwachen ist vor dem Erwachen.

Und nach dem Urknall ist vor dem Urknall.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    jj (Dienstag, 19 September 2017 08:52)

    'Wer nicht fühlen will, muss denken!' ist ein satz von christian meyer, zumindest erähnt er das seit über 10 jahren

  • #2

    Silke (Freitag, 22 September 2017 23:30)

    Liebe Verena,
    es so schön, wieder von Dir zu lesen!

    Vielen Dank wieder einmal für Deinen Text.
    Deine klare, pragmatische Art zu schreiben tut so gut und hilft mir so enorm!
    DANKE!!!!

    Liebe Grüße,
    Silke

  • #3

    Tobi (Samstag, 16 Dezember 2017 19:44)

    Wie immer mega-Artikel, die man immer mal wieder lesen kann. Danke :)