Neti-Neti,Baby!                                                                Über Sprache, Standpunkte, das Absolute und das Relative

Erwachen, das hab ich ja schon hin und wieder mal gesagt, ist zugleich kontinuierlich (hört nie auf, fing nie an) und kategorisch (wach vs. nicht wach).

 

Ein ganz wichtiger Punkt, den ich auch schon den Gipfel des Absoluten genannt habe, ist dabei die umfassende Erkenntnis, dass alles aus Bewusstsein besteht und innerhalb von Bewusstsein stattfindet. Alles ist Bewusstsein.

Daran angeschlossen kommt- zugleich, oder davor oder danach- auch die Erkenntnis:

 

Alles = Nichts!

Alles nur ein Traum, den sich Bewusstsein träumt- und simultan aus Milliarden verschiedenen Blickwinkeln anschaut.

 

 

Das ist aber nur eine Facette- wenngleich sicherlich mit die Wichtigste- und fraglos die, die einen Erwachten von allen Nicht-Erwachten unterscheidet.

 

Das ist aber auch die Gefahr. Denn sobald man es sich auf dem Gipfel häuslich eingerichtet hat und anfängt von dort oben Postkarten zu schreiben, geht das nächste Problem schon los:

 

Um auf irgend etwas- und sei es der Umstand, dass Du erkannt hast, nichts zu sein- hindeuten zu können, braucht es einen Standpunkt, eine Position.

 

Anders gesagt: Der Finger, der auf den Mond zeigt, ist am Arm angewachsen, der am Körper fest gewachsen ist, der auf der Erde steht.

Ohne ein 'hier' gibt es kein 'da'.

Auch ein Nichts kann nicht auf irgendwas hindeuten, ohne dafür- zumindest für den einen Moment- sich zu positionieren.

Ohne 'da', auch kein 'hier'.

 

 

Es gibt ein schönes Foto von Mojii, auf dem er auf Dich, also in die Kamera zeigt. Natürlich geht es dabei darum, dass er darauf verweist, dass es bei der Suche einzig&allein um Dich und niemand sonst geht- nicht um Mojii, nicht um Jesus, nicht um Buddha oder Gott persönlich- es geht um Dich. Niemand sonst.

 

Aber- wodurch wird diese Botschaft transportiert? Genau! Mit dem Finger, der an seinem Arm angewachsen ist, der wiederum zu Mojiis Körper gehört, der wiederum auf der Erde steht oder sitzt usw. Es bedarf eines 'da' um auf das 'hier' zu verweisen.

In dem Sinne dient die Trennung vielleicht sogar auf paradoxe Art dazu, sie selbst zu überwinden, wer weiß...?

 

Und das ist nicht 'nur' ein Phänomen im Sinne von Raum/Zeit. Sondern es trägt sich weiter, in den ganzen Traum hinein. Es ist beispielsweise in der Sprache eingebettet.

 

'Gibst Du mir bitte mal die Butter?'

Der Satz impliziert ein Gegenüber ('du'), also ein 'da', ein 'ich', also ein 'hier' und sogar noch ein Etwas, dort drüben- nämlich die Butter. Und darüber hinaus noch die Möglichkeit irgendwas machen zu können oder auch nicht. Ganz schön viele Vorannahmen, finde ich- und das in so einem trivialen, alltäglichen Satz, über den kein normaler Mensch jemals sich groß Gedanken machen würde...

 

Und jetzt soll man als Erwachter versuchen, mit Sprache- DEM Werkzeug zu Trennung und Unterscheidung- über Einheit zu sprechen? Über Nicht-ich-keit?

Das geht nicht.

Und es bringt aus meiner Sicht auch nix. Am wenigsten den Suchenden.

Aber auch das ist natürlich nur ein Standpunkt. Aus absoluter Sicht ist der genau so irrelevant, wie alle andern. Und um den aus absoluter Sicht irrelevanten Standpunkt klar zu machen, muss ich darauf hin deuten- und da haben wir es wieder, das hier&da, trallala.

 

Und natürlich findet dieses Püppi hier drüben seinen aktuellen, aus didaktischen Gründen gewählten Standpunkt auch 'richtiger' oder weniger falsch, als den derer, die auf dem Gipfel kampieren und von dort Postkarten schicken, mit durchsichtigen Sonnenuntergängen vorne drauf.

 

Denn: Immerhin gebe ich zu, dass sich klein-ich hier meldet, statt so zu tun, als gäbe es 'mich' nicht...

Trotzdem ist es irrelevant. Völlig schnurz.

 

Denn es ist ein Spiel. Bewusstsein geigt sich selbst was vor. Und Sprache ist Teil der Show.

Sprache ist Lüge.

Das Absolute spricht nicht.

Wann immer irgendwer- auch jemand, der von sich behauptet nichts zu sein- den Mund aufmacht, ist das schon nicht mehr das Absolute.

 

 

 

Oder anders gesagt:

 

Die Sprache des Absoluten ist Stille.

Alles andere ist schlechte Übersetzung.

 

 

 

Solange man das auf dem Schirm hat, und sich somit auch nicht in irgendwelche Debattier-Krämpfe verbeißt, geht das auch alles klar.

Menschen haben Meinungen. Sprache ist (auch) dafür da, diese Meinungen zu äußern. Aber legt man den absoluten Maßstab an, ist das alles ein riesengroßer Witz- mit 'Dir' und 'mir' als Pointe.

 

 

Und über das bereits Gesagte hinaus, ist es natürlich auch so, dass das Absolute auch Ego und auch Sprache ist- ein Ausdruck dessen. Das gilt dann aber, liebe Advaita-Zombies für alle(s) und jeden. Nicht etwa bloß für sogenannte Erwachte.

Und das- in Etwa, meint Neti, Neti. Es heißt übersetzt 'nicht das- nicht das'... Es verweist auf das unauflösbare Paradox- was glücklicherweise auch sobald man erwacht ist nicht mehr aufgelöst werden muss- was aber davor dem Verstand unbegreiflich ist (und danach auch- aber dann gibt es eine andere Art von Verstehen, die den Verstand nicht dafür braucht).

 

 

 

 

Fassen wir also zusammen:

 

• Ja, das Absolute spricht nicht, niemals.                                                                                                Ja, auch Ego und Sprechen ist Ausdruck des Absoluten.

• Ja, es gibt weder Raum noch Zeit.                                                                                                         Ja, dennoch ist es möglich, dass ein Püppi sich von A nach B bewegt- oder die geträumte Butter einem andern Püppi rüber reicht.

• Ja, es gibt keinen Prozess und niemand, der irgendetwas tun könnte.                                             Ja, es gibt konsens-realistisch einen Prozess und einen der ihn durchlebt.

• Ja, es gibt keinen freien Willen.                                                                                                             Ja, es ist dennoch besser in vielen Zusammenhängen, so zu tun, als gäbe es ihn.

• Ja, das ist alles nur ein Traum.                                                                                                               Ja, dennoch ist es mitunter sinnvoll, sich an die ein oder andere Traumregel zu halten. Wie zum Beispiel nicht einfach so vor den nächstbesten Bus zu hüpfen.

• Ja, absolut gesehen gibt es keinen Sinn des Lebens, wir sind alle Fürze im Whirlpool der Ewigkeit.                                                                                                                                                    Ja, trotzdem gibt es manche Dinge hier, die uns am Herzen liegen und etwas bedeuten- etwas anrühren in uns. Und wieso auch nicht? Wozu ist denn sonst die ganze Scheiße bitteschön da?!                                                                                                                                                              Mal ehrlich, wär doch völlig öde, bekloppt und langweilig, wenn sich Bewusstsein einen gigantischen Erlebnispark hinträumte, um sich dann nicht in der Geisterbahn zu gruseln, beim freien Fall das Gefühl zu haben zu sterben oder von der allabendlichen Lichterparade zu Tränen gerührt zu sein. Dann hätte es sich doch das ganze Kasperl-Theater von vornherein sparen können, oder etwa nicht? Eben.

 

Weiter:

 

• Ja, ich bin nichts und alles zugleich- auch Du und Du.                                                                      Ja, ich kann Dir deshalb trotzdem nicht sagen, was Du an Deinem vierten Geburtstag geschenkt bekommen hast und ich weiß auch nicht, woran Du jetzt gerade denkst.

• Ja, es gibt kein Ego, es ist nur eine Illusion.                                                                                        Ja, dennoch sind auch Erwachte zeitlebens nicht vollständig frei von dieser Illusion. Echt nicht, nein.                                                                                                                                                         Glaubste nicht?Teste es einfach!

 

Wenn Dir jemand begegnet, der der festen Überzeugung ist, ein absolutes Nichts und vollständig ego-frei zu sein, dann mach folgenden Test:

 

Bitte die nicht-existente Person einfach darum, sich eine Hand fest auf den Mund zu legen und zugleich mit der anderen Hand fest die Nase zu zu halten. Das soll sie solange tun, bis sie erstickt ist. Jemandem bzw. Niemandem ohne Ego dürfte das absolut keine Probleme bereiten. Wieso auch? Niemand da- also wer will da leben? Noch dazu in einem Traum? Is doch albern!

 

Ist, nebenbei bemerkt, auch eine Intervention, die ich mitunter bei Menschen mit ausgeprägter Todessehnsucht anwende. Immer wieder interessant, wie schnell sie anfangen um Luft zu ringen- bzw. es gar nicht mal ernsthaft versuchen, sich selbst zu ersticken- da hab ich schon ganz ohne Todeswunsch deutlich länger ausgehalten... Komisch aber auch.

 

Trotzdem der wichtige Hinweis an dieser Stelle: Mach das bitte nicht mit jemand der gerade suizidal ist! Dafür sollte man schon über entsprechende fachliche Kenntnisse verfügen, bevor man so was vorschlägt, auch wenn mir kein Fall bekannt ist, wo das jemand erfolgreich hinbekommen hätte.

Mit einem Advaita-Zombie hingegen: Hau rein! Bin gespannt, was dann so kommt an Ausflüchten. Gerne genommene Ausrede: Das sei ja ein rein körperlicher Reflex und da könne man ja nicht blabliblub. Komisch, denk ich mir dann immer so- eben war alles noch ein Traum, mit Niemand als Hauptfigur und jetzt wird auf einmal ganz handfest biologisch-materialistisch argumentiert- schon seltsam...

 

 

 

Aber zurück zum eigentlich Thema: Neti, neti, baby!

 

Die ganze Liste an Ja-Sätzen soll vor allem eins klar machen:

Nondualität umfasst auch die Dualität.

Das Absolute fein säuberlich getrennt vom Relativen ist nicht non-dual- es ist wieder nur ein neuer Dualismus. Standpunkte, das habe ich ja eingangs erwähnt, sind natürlich immer notwendig um irgendwas überhaupt zu sagen-. Daher kaufe ich persönlich das vollständige Verweilen im Absoluten wenn überhaupt nur jemandem ab, der kein einziges Wort mehr sagt- und darin liegt dann auch gleich das nächste Problem: Jemand der nix mehr sagt, könnte ja auch einfach ein Problem mit den Stimmbändern haben, oder ein hirnorganisches Problem o.a., nech?

Umgekehrt ist es jedoch völlig klar: Jemand der was sagt ist mitnichten permanent im Absoluten. Und jemand der das sprechend vehement immer wieder behauptet schon mal gleich dreimal nicht. Denn der will irgendwen überzeugen- fragt sich halt nur wen, bitteschön, wenn doch keiner da ist, nicht wahr?

 

Ich halte das daher so: Wenn ich den Mund aufmache, dann entweder um alltägliches zu sagen- gib mir mal die Butter, z.B..

Oder um von irgendwo her auf irgendwas spirituell relevantes zu zeigen.

Das Endresultat der Deuterei hingegen blumig oder knackig oder wie auch immer, zu beschreiben, halte ich für reinen Selbstzweck- für Ego-Gewichse. Ich zeige lieber auf, was ich für Unsinn halte- oder was ich für hilfreich erachte, um Dich, lieben lesenden Menschen, Richtung Resultat zu kriegen. Dir zu helfen, dass Du es selber siehst.

 

Dazu muss ich mich auf den Weg stellen- dahin wo Du bist- oder wo ich vermute, dass Du bist. Ich muss den Berg aus Deiner Perspektive sehen und dann kann ich sagen, wie Du da rauf kommst. Die Aussicht von oben, die genieße ich, wann immer ich das gerade beschriebene nicht mache. Das ist sozusagen mein 'Privatvergnügen'- wobei das natürlich Unsinn ist, weil es mir überhaupt nicht gehört.

Mir gehört gar nix und ich weiß nix. Außer einer einzigen Sache und die ist:

Alles ist Bewusstsein. Alles ein Traum. Alles nichts.

 

Diese Feststellung hilft Dir doch aber nicht wirklich dabei, das selbst zu erfahren, oder? Nee, nee, ich fürchte, Du musst den Rechenweg selber machen. Ist vielleicht nett- vielleicht aber auch eher demotivierend, das Resultat als Beschreibung zu kennen. Ging mir jedenfalls so, dass ich erstmal Schwierigkeiten damit hatte, um das Endergebnis wissend, die mühsame Rechnerei auf mich zu nehmen. Geholfen hat mir dabei meine rebellische Ader. Ich wollte nicht das Ergebnis verifizieren- ich wollte es bzw. Jed McKenna widerlegen.

 

Das war genau das Richtige für mich. Ich hab mir also genau die Sachen gesucht, von deren Existenz ich absolut überzeugt war. Der Tisch vor mir. Mein Kind. Meine 'Leistungen'. Dinge, an denen ich hänge oder, im Fall des Tisches, die einfach verdammt manifest, verdammt real wirken- vor allem, wenn man den Kopf dagegen haut (hab ich echt gemacht, im Prozess- aber ich rufe nicht dazu auf, es mir gleich zu tun!).

 

Und so hab ich Stück für Stück allen möglichen Ramsch, Glaubenssätze, Annahmen etc. raus gekegelt aus meinem System. Bis irgendwann nix mehr übrig war. Puff.

 

Und mir wirklich klar war- verdammt, es stimmt- alles ist Bewusstsein. Es gibt nix anderes zu finden- jedenfalls nicht von dieser, 'meiner' Warte aus betrachtet.

 

Und dennoch: Katzen sind süß und Essen ist mitunter lecker- und Menschen manchmal unfassbar toll- und manchmal unfassbar fies. Leben geht weiter. So wie immer. Und doch ganz anders.

 

 

Und jedes Mal, wenn Du denkst, ha, jetzt hab ichs, jetzt hab ich 'es' begriffen- dann, padauz, kommt was neues, was anderes, was nicht zur gerade gefundenen Hypothese passen will. Und so ist das auch gut- sofern man davor nicht die gerade erst erwachten Augen verschließt.

 

Steven Batchelor nennt das in einem seiner Bücher vom Haus in die Hauslosigkeit. Pema Chödrön schreibt von Bodenlosigkeit. Käptn Peng rappt in seinem großartigen Song 'Sockosophie', dass das Fallen zum Schweben wird, wenn man aufhört sich an Dingen festzukrallen...

Und damit sind nicht nur dingliche Dinge gemeint- sondern ALLES.

Ja, Mensch. Genau so sieht's aus.

 

Es gibt keinen Boden, auf dem ein Erwachter ernsthaft Wurzeln schlagen könnte- tut er es doch, war's das mit dem Wach-sein und Ego übernimmt wieder das Steuer. Und das ist, aus meiner momentanen Sicht um einiges schlimmer und schwieriger wieder aufzulösen, als jedes noch so aufgeblasene, unerwachte Mega-Ego.

 

 

Wach sein heißt, das Paradox zu leben. Alles fließt und zugleich ist nie irgendwas passiert- und alles schon geschehen.

 

Und es gibt nichts- und zugleich gibt es alles – und sogar noch viel mehr.

 

Und alles, was ich hier geschrieben habe, ist Lüge- und trotzdem auch wahr.

 

Und das, liebe Freunde, das ist die große Freiheit.

 

 

Niemand sein und alles zugleich. Ganz dolle auf irgendwas oder jemand schimpfen und zugleich alles und jeden bedingungslos lieben.

 

Nicht-wissen und doch wissen.

 

Ein kompletter Vollidiot sein- und damit vielleicht total weise.

Vielleicht aber auch wirklich einfach nur ein Trottel- wer weiß das schon und wen interessiert's?

 

Ganz hier sein-

und vollständig nichts-

und alles dazwischen-

und nichts davon-

und dann doch-

und so weiter.

 

 

Kein fester Boden mehr unter Füßen, die es nie gab.

 

Und sich trotzdem den kleinen Zeh am Tischbein fies anstoßen können- und darüber fluchen und es im nächsten Moment schon vergessen haben. Hier, jetzt, unmittelbar. Sein. Leben. Bam.

 

 

Und das genießen- weil da niemand ist, der Angst haben könnte. Und trotzdem in Sorge sein, hin und wieder, wenn es um den ein oder anderen Traumcharakter geht.

 

Und sich nicht selbst ersticken können oder wollen und trotzdem keine Angst vorm Tod haben.

 

Völlig verrückt- und dabei alles am Platz.

 

Keine einzige Tasse mehr im Schrank, alle Schrauben locker- und dabei vollkommen zufrieden, mit sich im Reinen- im Nichts ruhend.

 

 

Und, bei Dir so? Ist inzwischen alles unklar?

 

Wenn ja: Super!

 

Wenn nein:

 

Auch gut!

 

Und überhaupt:

 

Was soll's?

 

Neti, neti, baby!