Spiritualität unterliegt oft dem Vorwurf, Weltflucht zu unterstützen bzw. dafür sogar eins der besten Werkzeuge zu sein. Ich möchte ganz und gar nicht abstreiten, dass viele Menschen Spiritualität- oder vielmehr ihre spirituelle Suche- auch ganz genau dafür missbrauchen.
Nicht umsonst gibt es für dieses Phänomen sogar einen Namen- das sogenannte 'spiritual Bypassing' (Lesetipp auf englisch: http://lonerwolf.com/what-is-spiritual-bypassing/).
Spiritualität wird statt Weltflucht aber auch gerne mal Zynismus zum Vorwurf gemacht- auch das ein Punkt, den ich für nachvollziehbar halte.
Dafür gibt es verschiedene Gründe.
Zunächst mal ist Spiritualität ja kein eng umrissener oder gar geschützter Begriff. Jeder Blödsinn darf sich so nennen- und wird auch mitunter so genannt. Und die Verblendung derer, die in ihrer Naivität&Verzweiflung eine Milliarden schwere Industrie unterstützen, schlägt sich nicht nur in ihrer Kaufkraft nieder, sondern logischerweise auch in dem Bild, was sie dadurch von Spiritualität nach außen abgeben:
- Sich Achtsamkeits-Apps auf das neustes Smartphone laden, an dem wiederum buchstäblich Blut&Tränen kleben, entbehrt wahrlich nicht einer gewissen Ironie, wenn wir mal ehrlich sind.
- Und sich, statt den Arsch hoch zu kriegen und mal das eigene Kaufverhalten einer Prüfung zu unterziehen, lieber an einem Sonntag im Monat zu einer weltweiten 'Weltfriedens-Meditation' zu verabreden, um die 'Vibrationen des Planeten zu erhöhen' hat schon das Geschmäckle vom guten, alten Ablasshandel früherer Epochen.
Wasser auf die Mühlen aller Skeptiker und Wissenschaftsgläubigen dieser Welt, also.
Leider wird dieses schiefe Bild von Spiritualität aber nicht nur durch viele Suchende aufrechterhalten. Diese könnte man insofern noch in Schutz nehmen, da sie ja noch suchen, ergo nicht 'erwacht'/'erleuchtet' oder so was in der Art sind.
Viel schädlicher ist daher, dass auch durch manch spirituellen Lehrer der eigentliche Nutzen, der auf eine gewisse Art höchst weltlich ist, durch missverständliche Ansichten und Äußerungen eher verschleiert, als enthüllt wird.
Zur Illustration drei Beispiele:
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Laut Tony Parsons gibt es niemand, der etwas tun könnte und genau genommen auch kein Problem- weil für wen denn? Immerhin ist er dabei so konsequent, dass er selbst die Frage nach dem Holocaust mit irgendwas wie 'arsings in awareness' beantwortet. Ja, ich weiß, was er meint- und kenne den 'Ort' von wo aus man das so sehen kann bzw sieht. Dennoch liegt auf der Hand, dass man das, besonders als ganz 'normaler' Mensch gleichermaßen als Weltflucht und Zynismus, bzw. Mangel an Empathie auslegen kann- problemlos.
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Eckhart Tolle gibt wohlfeile Ratschläge, wie beispielsweise, dass es nie die Situation ist an der mensch leidet, sondern immer die (wertenden) Gedanken über die Situation. Auch diese Einschätzung verstehe ich und kenne den Ort, von woher solche Aussagen völlig korrekt scheinen- bzw. sind.
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Paul Hedderman sagt ähnliches. Nämlich: 'The solution is prior to the problem' und meint damit, im Absoluten existieren keine Probleme, also das, was wir eigentlich sind, kennt keine Probleme, weshalb das die Lösung ist. Hä, wie?! Nochmal ganz einfach: die Erkenntnis, dass es kein Problem gibt, nie eins gab und nie eins geben wird, IST identisch mit der Lösung aller vermeintlichen Probleme.
All diese Aussagen sind mit entsprechend vollzogenem Erwachensprozess völlig klar, verständlich und schlichtweg die Wahrheit. Aber ich möchte gerne mal sehen (nein, eigentlich nicht), wie solche Ideen z.B. bei einem Geflüchteten ankommen, dessen Mutter auf eine Tretmine gelaufen ist, dessen Schwester von gegnerischen Soldaten vergewaltigt wurde und der nun schon seit 3 Monaten vergeblich in Berlin bei Wind&Wetter täglich sich vor dem LaGeSo die Beine in den Bauch steht.
In so einem Fall dürfte es einigermaßen schwierig zu vermitteln sein, dass so jemand in Wahrheit kein Problem hat- und das hat selbstverständlich dann nix mit Sprachbarrieren zu tun.
Selbst gegenüber 'normalen', nicht-geflüchteten Menschen ist diese absolute Sicht genau die Krux- oder zumindest ein Teil davon.
Als Erwachter kann man Dogens Shobogenzo lesen und versteht es problemlos. Man knackt Koans so, wie andere Leute Nüsse. Man versteht den ganzen Schatz an spirituellen Weisheiten- und kann diese problemlos von esoterischem Mumpitz unterscheiden. Als Erwachter rennt man aber auch nicht zu Talks und Vorträgen der Genannten. Man hat keine diesbezüglichen Fragen mehr, die einer Antwort von irgendeinem Guru, Meister oder Lehrer bedürfen. Die Suche ist dann zu Ende.
(Nebenbei bemerkt eines der deutlichsten Zeichen dafür, dass Jemand wirklich erwacht ist- der oder diejenige sucht nicht mehr- gar nicht mehr! Nein, wirklich nicht.)
Und das bringt mich zu dem weiteren Problem, was ich- neben der bereits angesprochenen Zynik/Weltlflucht in den vorgestellten Beispielen ausmache:
Zu wem sprechen diese Lehrer denn?
Sie sprechen-ganz eindeutig- zu Suchenden, also zu noch nicht Erwachten. Zu Menschen, die bei weitem ihre Egos noch nicht durchschaut haben- diesen definitiv noch nicht entwachsen sind.
Böse gesagt, könnte man also behaupten: Da sitzen männliche, weiße, größtenteils gut situierte Angehörige der westlichen Zivilisation, ihres Zeichens 'spirituelle Lehrer' anderen, in der Regel ebenfalls gut situierten, oft weißen, gemischt geschlechtlichen Angehörigen der westlichen Zivilisation (in dem Fall den Suchenden) gegenüber und erzählen, dass es keine Probleme gibt und wenn überhaupt nur ausgedachte und selbst für den Fall, dass es Probleme wirklich gäbe, gäbe es sowieso nix, was man dagegen tun könnte- weil es ja kein handelndes Subjekt gibt.
Das heißt also, nochmal anders zugespitzt, da wird voll aufgeblasenen Egos das Mütchen gekühlt, in dem ihnen Weltflucht und Zynismus als spirituelle Erkenntnisse verkauft werden (für ordentlich Geld, versteht sich), während zeitgleich der Planet den Anschein macht, als würde er uns bald ganz derbe um die Ohren fliegen.
Lieber lesender Mensch!
Ich bin mir voll umfänglich der Tatsache bewusst, dass auch Angehörige der westlichen Zivilisation Probleme haben- und mir ist auch völlig klar, dass viele Suchende, die langwierige und anstrengende Sucherei nicht aus Jux, Dollerei und Langeweile betreiben, sondern meistens eher, weil bei ihnen zumindest gefühlt, die Hütte brennt.
ABER: Ebensowenig ist von der Hand zu weisen, dass genau diese Menschen, die für ihre Suche teuer Geld ausgeben, auf zig Retreats fahren, etc.pp. genau die Menschen sind, die mitverantwortlich für die Gesamtscheiße in der Welt sind.
Da sitzen im Prinzip die Menschen, die mitverantwortlich für das Elend dieser Welt sind, weil sie sich direkt oder indirekt, passiv oder aktiv, an den sogenannten Entwicklungsländern bereichern- worauf in letzter Konsequenz ihr Wohlstand aufbaut.
Genau diesen Menschen also zu sagen, es gäbe kein echtes Problem ist in diesem Sinne fatal. Eventuell vielleicht sogar noch fataler, als würde man es den Opfern dieser Ausbeutung ins Gesicht schmettern.
Nun könnte man meinen, das seien ja nur Kniffe, Techniken etc., um das Erwachen der Suchenden voranzutreiben. In Bezug auf Eckhart Tolle mag das stimmen- in Bezug auf Tony Parsons, bin ich mir da schon nicht mehr ganz so sicher. Unabhängig davon, die spirituelle Prominenz hat ja einen recht veritablen Output. Und da frage ich mich, zunehmend mehr, wieso es denn nicht möglich ist, sich mal zur Gesamtscheiße dieser Welt zu äußern. Aus der Ecke kommt für meinen Geschmack einfach viel zu wenig. Es reicht nicht, wenn sich dahingehend hin und wieder mal ein Dalai Lama bereit ist aus dem Fenster zu lehnen. Meine Theorie dazu ist, dass die Spiri-Prominenz es fürchtet, sich zu solchen Themen wie Hunger, Krieg etc. konkret zu äußern, weil sie damit Gefahr laufen würde, an ihrem erhabenen Image des Erleuchteten zu kratzen. Oder hat schon jemals jemand mitbekommen, wie ein Tony Parsos vor Verzweiflung in Tränen aufgelöst ist oder ein Eckhart Tolle vor Wut über die Ungerechtigkeit der Welt rum brüllt?! Wohl kaum.
Ich persönlich habe auch noch nie ein Meme bei Facebook gesehen, bei dem weise Sprüche über die fiktionale Natur von irdischen Problemen mit Bildern von ertrunkenen Flüchtlingen, zerbombten Städten o.ä. illustriert werden. Seltsam, oder?
Der von mir geforderte Klartext muss ja nicht mitten in einem Satsang stattfinden, wenn sie das 'didaktisch' für unklug halten (oder in einem kurzen Facebook-Meme). Wobei ich dieses Argument, würde es von Tony Parsons vorgebracht, ehrlich gesagt sowieso nicht gelten lassen würde. Weil er ja steif&fest behauptet, kein Lehrer zu sein und nichts zu lehren zu haben und im Prinzip einfach nur so, grundlos, gerne vor sich hin plappert (gegen Bezahlung, versteht sich). Beziehungsweise plappert natürlich nicht er, weil ihn gibt’s ja gar nicht, sondern Plappern passiert. ;-)
[kleiner Einschub, bevor es weitergeht. An dieser Stelle sei angemerkt: Weder bin ich Buddhistin- ich bin sozusagen 'anarcho-spirituell'- noch ist es Tony
Parsons oder ein anderer der bisher Genannten- die Einteilung in Buddha vs. Bodhisattva erscheint mir einfach griffig und zutreffend, für den punkt, um den es gleich geht.]
Etwas freundlicher ausgedrückt könnte man sagen, jemand wie Tony Parsons ist ein Buddha.
Also Jemand, der Erleuchtung erlangt hat und ins Nirwana übergegangen ist- also dem Rad des Leidens (Samsara) entronnen ist. (Klingt, nebenbei bemerkt dann doch recht stark nach Weltflucht, wie ich finde)
Im Gegensatz dazu gibt es im Buddhismus aber noch das Konzept des sogenannten Bodhisattvas.
Das sind, grob gesagt, Erwachte/Erleuchtete, die freiwillig auf ihr Eingehen ins Nirwana verzichten und sich in den Dienst all jener stellen, die noch nicht erwacht sind.
Wie 'freiwillig' das tatsächlich ist, sei schon allein bezüglich der Frage nach einem freien Willen mal dahingestellt (die Frage nach der Freiheit des Willens ist einen eigenen Blogartikel wert).
Für jetzt ist viel wichtiger folgendes: Adyashanti stellt in einem seiner Talks wunderbar heraus, dass je schwächer reine Ego-Impulse werden, schlussendlich sehr häufig nur noch ein einziger Wunsch übrig bleibt- nämlich der, anderen zu helfen, sich um sie zu kümmern. Somit ist das Resultat bei sehr vielen Erwachten ziemlich genau das, was mit dem Konzept eines Bodhisattvas gemeint ist- ob sie nun Buddhisten sind oder nicht, ist dafür völlig irrelevant.
Das, also das Ergebnis des Erwachens, kann ich so absolut bestätigen. Steckt, interessanterweise, wenn man so will auch in dem schönen Wort 'Selbstlosigkeit' drin.
Das Wort bedeutet ja, sich eben einzig und allein um das Wohl anderer zu kümmern- ohne dabei 'selbst' auch nur im Geringsten etwas davon zu haben/sich etwas davon zu versprechen- respektive überhaupt irgendwie vorhanden zu sein- man ist sein (falsches) Selbst los.
Bei mir ist es inzwischen tatsächlich so, dass mir absolut nichts schöneres einfällt, womit ich meine Lebenszeit gerne verbringe, als anderen zu helfen, für
sie da zu sein. Und zwar einfach so.
Dazu gehört- für mich- unter anderem Menschen beim Erwachen zu begleiten (genaueres dazu unter Scouting)- sie dabei zu unterstützen (sofern das überhaupt möglich ist- Kein Selbst, kein freier Wille usw.). Auf der anderen Seite habe ich aber auch das Gefühl, es ist dringend an der Zeit- mal wieder- auf den 'praktisch-weltlichen' Nutzen der ganzen Spiri-Kiste aufmerksam zu machen. Der Impuls ist der Gleiche- helfen, assistieren, mich nützlich machen.
Was also ist der eigentliche, weltliche Nutzen von Spiritualität?
- Selbstverständlich geht es nicht darum, sich in spirituellem Materialismus zu verlaufen wie z.B. dem Erwerb von Achtsamkeits-Apps, Zen-Gärtchen und arschteurem Yoga-Equipment.
- Es geht es auch nicht um Wunschdenken- kein Talisman, keine gechannelte Engelsbotschaft, kein Kaffeesatzlesen, kein Horoskop, kein Gebete und keine Orgonplatte dieser Welt, werden die selbige zu einer besseren machen. Nein, wirklich nicht. Echt nicht.
- Der Sinn und Zweck besteht auch ganz klar nicht darin, es sich nach vollzogener 'Erleuchtung' auf einem Sofa aus Fatalismus bequem zu machen. Im Sinne von: „Da is ja keiner, es gibt kein Problem- also gibt’s auch nix zu tun- für wen auch?“ Wie es gerne von sogenannten Neo-Advaita (Nicht)Lehrern behauptet wird.
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Er besteht auch nicht darin, dass es am Ende des Tages 'egal' ist, was man macht- so wie das leider auch Adyashanti irgendwo mal sagte: „Wake up first-
then do whatever.“ No, Sir.
- Ebensowenig, Stichwort: spiritual Bypassing, geht es darum, mit Disziplin seine ganzen egobasierten Impulse zu unterdrücken, eine Moral-Theorie nachzubeten und wie ein Automat zu befolgen. Denn auch ein Ego, was glaubt gut zu sein, ist und bleibt ein Ego. Da kannst Du Metta-Meditationen machen, soviel Du willst, Du wirst dadurch, das garantiere ich Dir, nicht ein Mikrogramm Ego-Gepäck los. Bestenfalls spürst Du dadurch das Gewicht Deines Egos, seine Beschränkungen deutlicher. Schlimmstenfalls trägst Du dazu bei, ein spirituelles Super-Ego aufzubauen.
Das Grund-Dilemma, was ich bei den beiden ernstzunehmenden spirituellen Groß-Bewegungen unserer Zeit ausmache ist also folgendes:
Grob gesagt nähen sich viel zu viele Buddhisten nette Stickereien auf ihr Egokostüm, statt zu erwachen- während Neo-Advaitas jedwede Verantwortung für die Welt in der sie leben ablehnen- selbst und gerade dann, wenn sie einigermaßen erwacht sind.
Noch griffiger gesagt: Die einen wollen, können aber nicht, wegen Ego, die anderen könnten-wollen aber nicht, wegen Fatalismus/Nihilismus/Weltflucht- wie immer man das nennen mag.
So, was ist also der praktisch-weltliche Nutzen?
Die Kurzfassung:
Wake up first- and then serve others.
Wach auf- werde Dein falsches Selbst los- werde also wahrhaft selbstlos- und dann sei für andere da.
Und zwar in genau dieser Reihenfolge- nicht umgekehrt!
Du sollst am Ende des Tages- bestenfalls- wirklich so 'leer' sein, so wenig voll von Dir selbst, dass Du, ganz natürlicherweise, gar nicht anders kannst, als für andere da zu sein. Du sollst so wach und klar sein, dass Du nicht in blinden oder zumindest kurzsichtigen Aktionismus verfällst. So wach&klar und egobefreit, dass Du Dich nicht auf das Geschwätz Deines Frontallappens verlässt, sondern mittels einer ungetrübten Intuition- nicht mittels fremdauferlegter Regeln, sondern frei, kontextbezogen, im Hier&Jetzt in der Lage bist, spontan 'richtig' zu handeln. Und im nächsten Moment und im übernächsten und so weiter.
Dazu musst Du-unweigerlich- so frei sein, dass Du fähig bist, auf jedwede Form von Sicherheit zu scheißen. So autonom-im besten Wortsinne- dass Du keine starren Regeln brauchst- und auch niemanden, der Dich dazu zwingt, sie einzuhalten, mit Strafe, Druck und schlechtem Gewissen.
Es geht also nicht um moralisches Regelwerk- genau das ist etwas, was Du bereit sein musst im Verlauf des Erwachens, so wie alles andere auch, über Bord zu werfen.
Ethisches Handeln erfolgt immer im Hier&Jetzt. In einer konkreten, spezifischen Situation. Daher kann es keine allgemeingültigen Regeln geben- von mir schon gar nicht- bewahre!
Dabei ist auch fürs Verständnis wichtig zu bedenken:
- kategorische Gewaltlosigkeit ist Idiotie. Jeder Chirurg wendet Gewalt an, wenn er einen Körper aufschneidet.
- Immer nur lieb&nett sein hat mit echtem Mitgefühl, echter Sorge rein gar nichts zu tun. Als ich damals meinen Kreuzbandriss hatte und mit Orthese&Krücken durch die Gegend humpelte war mein Sohn drei Jahre alt. Wenn ich ihn in der Zeit nicht einige mal scharf, laut und in echtem Befehlston angebrüllt hätte, wäre er heute nicht mehr am Leben, sondern unter ein Auto gekommen.
Noch ein paar Beispiele, um zu verdeutlichen, was ich meine:
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Wenn ein Feuerwehrmann bei einem Hausbrand eine Wohnungstür mit einer Axt einschlägt, weil sich darin noch Menschen befinden (könnten), ist das ganz klar Anwendung von Gewalt- ebenso klar aber moralisch einwandfrei. Und zwar selbst dann, wenn sich im weiteren Verlauf herausstellen sollte, dass die befreite Person ihr Überleben dazu nutzt, andere Menschen zu töten- zum Beispiel, weil sie kurze Zeit später eine Bank überfällt und dabei die Person hinterm Schalter erschießt. Der Feuerwehrmann hat in dem gegebenen Moment alles richtig gemacht- seine Intention ein Leben zu retten war einwandfrei und dafür alles Nötige zu tun ebenso.
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Wenn ein Einbrecher, um in eine Wohnung zu gelangen mit einer Axt eine Tür einschlägt, ist das ganz klar Anwendung von Gewalt- und, wenn wir reine Gier als Motiv annehmen, ist das moralisch verwerflich. Wenn man nun aber eine schwere Hungersnot annimmt, in dessen Verlauf eine Art Robin Hood in das Haus einer reichen Person einbricht, um Lebensmittel zu stehlen, um diese wiederum an halb verhungerte Kinder zu verteilen, sieht die Sache schon wieder deutlich anders aus.
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Noch ein nicht-fiktives Beispiel: Es ist und war moralisch vollkommen richtig, Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn davon einige tatsächlich in der Sylvester-Nacht in Köln Frauen sexuell genötigt haben, ist das eindeutig unethisch (und natürlich strafrechtlich relevant und ggf. ein Abschiebungsgrund). Das eine hat aber mit dem anderen eigentlich gar nichts zu tun (vgl. mit dem Beispiel in Punkt 1). Es wird nicht nachträglich aus Recht Unrecht, bloß weil ein paar Pappenheimer-vermutlich- 'unsere' Gastfreundschaft missbraucht haben. Ebenso wenig leitet sich aus diesen Vorfällen irgendeine moralische Rechtfertigung dafür ab, nun los zu gehen und Asylbewerber-Heime anzuzünden. Es ist nämlich eigentlich (!) ganz einfach: Streng genommen gibt es weder Raum noch Zeit- sondern immer nur JETZT. Daher sind lineare Zeitverläufe, diesbezügliche Ursache-Wirkungs-Fantasien etc. nur Geschichten. Nicht mehr, nicht weniger. Überdies sind wir nicht dazu verpflichtet, Trigger-Roboter zu sein. Im Sinne von: „Greifst Du meinen Landsleuten in den Schritt, bleibt mir nichts anderes übrig, als Unterkünfte Deiner (vermeintlichen ) Landsleute ab zu fackeln.“ So eine Denke ist Idiotie in Reinform und gibt jegliche Eigenverantwortung an der Garderobe der Menschheitsgeschichte ab. (Um das zu kapieren, das ist völlig klar, bedarf es auch kein bisschen mehr, als gesundem Menschenverstand- dafür muss man wahrlich nicht erst 'Erleuchtet' sein.)
Trotzdem: Ich weiß, aus eigener Erfahrung, auch ohne jemals irgendein Gebäude angezündet zu haben, dass der Sog des vermeintlich gerechten Zorns unheimlich mächtig ist- kein freier Wille...
Und die Menschheitsgeschichte hat wieder und wieder gezeigt, dass jedes noch so strikte, eindeutige und umfangreiche ethisch-moralische Regelwerk, egal mit welcher Drohkulisse durchgesetzt, immer wieder unterwandert wurde. Der Grund dafür heißt natürlich Ego. Wie sollte es auch anders sein?
Regeln können also nicht die Lösung sein- auch härtere Strafen für Regelbrüche sind keine Lösung. Auch das hat sich immer wieder bestätigt.
In diesem Sinne- und das ist der Kern von Buddhas Vermächtnis, der Grund weshalb er sich auf die Suche machte und der Schatz der Erkenntnis, den er dabei fand- in diesem Sinne also ist 'Erwachen', sein falsches Selbst/Ego durchschauen die einzige, die ultimative und in dem Sinne wirklich nachhaltige Lösung.
Es ist und dieser Punkt ist unstrittig aus meiner Sicht, die einzige Möglichkeit die Aussicht auf Weltfrieden verspricht.
Auch wenn völlig klar sein dürfte, dass die wenigsten Suchenden ihren Weg zu beschreiten beginnen, um etwas für den Weltfrieden zu tun. Natürlich ist der initiale Antrieb dafür immer erst mal Ego. Was sollte es auch sonst sein, was einen antreibt, solange man noch fest von dieser Illusion gefesselt ist?
Aber: Was kann am Ende noch wirklich wichtig sein, wenn man diesen Weg bis ans 'Ende' (was keines ist) gegangen ist? Was bleibt dann noch zu tun übrig? Was hat dann noch wirklich Bedeutung? Für andere da zu sein, natürlich. Denn das ist unser alles eigentliche Bestimmung.
Solang das nur Dein frommer/antrainierter Wunsch ist und es Dir Mühe bereitet oder Dich auslaugt ihn umzusetzen, ist es noch nicht das Ende. Solang noch andere Wünsche (z.B. nach Reichtum, einer steilen Karriere, Anerkennung, ewiger Glückseligkeit etc.) vorhanden sind, ebenso wenig. Und solang Du Dich irgendwo in irgendwelchen Sphären befindest, wo Du immun bist, gegen das Leid dieser Welt, sowieso nicht- auch wenn das eine, anscheinend notwendige Phase während des Erwachens darstellt, die wohl jeder durchläuft. Diese Phase stellt nicht das Ende dar.
Brad Warner hat es gen Ende seines Buches 'Hardcore Zen' wunderbar auf den Punkt gebracht:
„If the world is to change in any important way, that change will come from individual human beings who have the courage to discover truly who they are. And in making this discovery, they will find out what humanity truly is, what the universe truly is. Only people who understand their own nature thoroughly will be able to bring about the changes that must occur if humanity is to survive.“
Zu guter letzt noch eine kleine- unvollständige- Sammlung von Lehrern, die es nicht scheuen, sich auch zu gesellschaftlichen, politischen Themen zu äußern:
Brad Warner, Pema Chödrön, Jack Kornfield, Thitch Nhat Hanh, John Kabat-Zinn, Noah Levine der Dalai Lama, Jeff Foster, Alan Watts fallen mir spontan ein- und ja hin und wieder, zumindest allgemeiner auf die moderne Zeit bezogen auch Eckhart Tolle. Auch von Adyashanti gibt es ansatzweise Anzeichen von ethischen Einsichten, wenn man Äußerungen wie ' just don't behave like a moron' so auslegen möchte.
Mein Punkt ist in dem Sinne also nicht, einzelne Lehrer zu bashen- mir geht es vielmehr darum, deutlich zu machen, dass ihre Haltungen zu indifferent sind, zu wenig klar und ich der Ansicht bin, dass sie damit ihrer Verantwortung nicht voll umfänglich gerecht werden.
Also bitte: Zeigt Euch, bezieht deutlicher Stellung zur Gesamtscheiße, als ihr es bisher tut!
Die Menschheit braucht ein Update. Die Welt brauch mehr echte Bodhisattvas!
Wacht auf! Jetzt!
Und dann: Kümmert Euch um Andere!
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